Schritt 2 – Atmung und Spannung variieren

Du atmest jeden Tag, jede Minute ein und aus, ohne dass du aktiv etwas dafür tun musst. Die Atmung ist ein reflexartiges Geschehen, dass uns am Leben erhält. Beim Einatmen füllen wir die Lunge mit Luft. Die Rippen heben sich und die Muskeln des Zwerchfells spannen sich an, dadurch wird der Brustraum vergrössert. Beim Ausatmen entspannen die Zwischenrippen- und Zwerchfellmuskeln. Der Brustkorb senkt sich wieder. Wie genau wir atmen ist von der jeweiligen Situation, von der Art der Aktivität, unseren Emotionen und dem Ausmass der sexuellen Erregung abhängig. Sind wir völlig entspannt, fliesst der Atem ruhig und gleichmässig durch den Körper. Zu beobachten beispielsweise im Liegen bevor wir einschlafen. Wir können spüren, wie der Atem bis in den Bauchraum kommt und sich die Bauchdecke hebt. Unter Stress und Anspannung hingegen atmen wir schneller und weniger tief, gefühlt nur noch bis in den Brustraum. Der Atem ist also mit der Anspannung gekoppelt und entscheidend dafür, was wir empfinden und wahrnehmen können.

In der sexuellen Erregung steigt die Spannung der Muskeln im Körper. Diese Aktivierung ermöglicht, dass wir uns dynamisch bewegen und reagieren können. In völliger Entspannung wäre es kaum möglich zu einem Höhepunkt zu kommen. Bei Männern ist es jedoch so, dass diese in der Regel bereits über eine erhöhte Grundspannung im Körper verfügen, unabhängig von der Sexualität. Das kann über Anstrengungen im Alltag, eine allgemeine Leistungsorientierung oder auch vom Sport kommen und ist häufig bereits von Kind auf anerzogen. Durch die erhöhte Grundspannung ist die Wahrnehmung jedoch eingeschränkt, wir spüren das Zarte oder Feine weniger oder es wird als unangenehm empfunden (beispielsweise sanftes Streicheln). Männer bevorzugen deshalb häufig intensivere Berührungen und stärkere Impulse, um etwas zu spüren. Es macht also durchaus Sinn, die Spannung im Körper nicht nur in der Sexualität, sondern auch im Alltag zu beobachten. Beispielsweise mit Hilfe des sogenannten Bodyscans, welchen du jederzeit und überall vornehmen kannst – da es nur deine Wahrnehmung und keine Bewegung dazu braucht:

Bodyscan

Wandere innerlich durch deinen Körper von den Füssen über die Waden, Knie, Oberschenkel zu Beckenboden, Po, Bauch, Brust, Rücken, Nacken, Schultern, Ober- und Unterarme, Hände und schliesslich zu Hals, Kiefer, Gesicht und Kopf. Spüre, wo du mehr und wo weniger Anspannung wahrnimmst ohne etwas zu verändern. Es geht nur um die Beobachtung und das bewusst werden.

Männer, die das Gefühl haben die Dauer des Geschlechtsverkehrs nicht beeinflussen und den Samenerguss nicht kontrollieren zu können, brauchen besonders häufig eine kurze oder angehaltene Atmung und viel Spannung in der Sexualität. Häufig halten Männer die Spannung aufrecht, weil sie denken damit ihre Erektion zu stützen. Es ist jedoch keine volle Erektion nötig für den Geschlechtsverkehr und ganz natürlich, dass sich die Härte des Penis je nach Praktik verändert. Wenn du merkst, dass deine Erektion zu stark zurück geht, weißt du ja jetzt, dass du die Muskelspannung brauchen kannst, um diese wieder aufzubauen.

Atmung und Spannung wirken sich auch direkt darauf aus, wie angenehm und genussvoll die Steigerung der sexuellen Erregung erlebt wird. Um das zu testen, kannst du deine sexuelle Erregung bewusst mit viel Muskelspannung und kurzen, flachen Atemzügen steigern. Oder du stellst dir das ganz einfach vor und versuchst den Zustand ohne sexuelle Erregung nachzumachen. Ähnlich wie bei einer sportlichen Aktivität wird der Weg zum Ziel dadurch als anstrengend erlebt und der Genuss von Körper und Gefühlen ist erst nach dem Orgasmus in der eintretenden Entspannung möglich.

Übung

Weil es einfacher ist, machst du die Übung am besten ohne, erst später mit sexueller Erregung. Wähle einen ruhigen Ort aus und nimm dir für die Übung ausreichend Zeit, damit du dich ganz darauf einlassen kannst.

Ohne sexuelle Erregung

Lege dich dazu auf den Rücken, stelle die Füsse auf und lege eine Hand auf deine Brust, die andere auf deinen Bauch, etwa auf der Höhe des Bauchnabels. Atme ruhig, langsam und spüre, ob sich deine Hände mit dem Atem bewegen. Nun atme bewusst in die Brust, damit sich die obere Hand hebt. Wiederhole dies etwa zehnmal und beobachte, was du mit dem Körper machst, damit diese Atmung möglich ist. Wechsle danach auf die untere Hand. Atme dazu tief in den Bauch und spüre wie dein Bauch die Hand nach oben drückt. Auch hier nimmst du etwa zehn Atemzüge und schaust, was in deinem Körper passiert.

© Sztenc, Klappt’s, Hirzel 2018

Lege Arme und Hände nun neben deinem Körper ab und wiederhole die Übung, indem du dich nun auf die Wahrnehmung im Innern deines Körpers konzentrierst. Erst machst du zehn Atemzüge in die Brust, danach zehn Atemzüge in den Bauch. Es kann hilfreich sein, wenn du dir dabei den Weg deines Atemflusses vorstellst. Vom Einströmen der Luft durch die Nase oder den Mund bis in den Bauch und von dort schickst du ihn zurück und stösst ihn wieder aus.
Nun kehre zurück in deine natürliche Atmung, atme ruhig und in deinem eigenen Tempo weiter und spüre nach, wie sich dies nun anfühlt.

Als nächstes nimmst du die Muskelspannung hinzu:

Spanne erst deinen Bauch an, stell dir vor wie du deinen Bauchnabel dabei gegen den Boden ziehst. Beobachte, wie sich dein Atemraum dadurch verändert, der Atemfluss irgendwo zwischen Hals und Brust stecken bleibt, als könnte der Atem deine Muskeln nicht durchdringen. Halte die Spannung für 3-5 Atemzüge. Mit der letzten Ausatmung lässt du die Anspannung im Bauch völlig los. Bleibe in der Entspannung und schau, was mit deinem Atem passiert. Führe ihn bewusst in den Bauchraum runter bis ins Becken. Nun spannst du deinen Po und deine Oberschenkel an. Halte die Spannung für 3-5 Atemzüge und beobachte dabei deinen Atem. Mit der letzten Ausatmung lässt du die Anspannung wieder ganz los und kommst zurück in die Entspannung. Bleibe so lange in der Entspannung bis dein Atem wieder ruhig und langsam fliesst.
Als drittes spannst du deinen Beckenboden an. Das geschieht, wenn du ihn anhebst, als würdest du den Damm rauf ins Becken ziehen, wie wenn du Harn- oder Stuhldrang unterdrückst oder deinen Penis hüpfen lässt. Halte die Spannung im Beckenboden für etwa 5 Sekunden und schau, wie sich dein Atem dadurch verändert. Komme zurück in die Entspannung.

Wiederhole die Übung indem du die Muskelgruppen einzeln aber auch zusammen anspannst und komme immer wieder zurück in die Entspannung. Spüre nach wie sich dein Körper und dein Geschlecht dabei anfühlt.

© Sztenc, Klappt’s, Hirzel 2018

Mit sexueller Erregung

Damit du deine Lernschritte von der Selbstbefriedigung auf den Geschlechtsverkehr übertragen kannst, ist es entscheidend, dass du die Bewegungen nachmachst. Deshalb ist es hilfreich, wenn du zur Selbstbefriedigung die Hand am Penis bewegst und nicht den Penis mit der Hand gedrückt oder an eine Oberfläche gepresst hältst oder nur die Po- und Beckenbodenmuskulatur anspannst. Zur Verstärkung kann auch ein geeignetes (z.B. pflanzliches) Öl oder Gleitcreme benutzt werden. Zu Beginn ist es einfacher, wenn du die Übungen mit sexueller Erregung für dich und ohne Partner/-in machst. Natürlich kannst du ihr/ihm davon erzählen. Das kann hilfreich sein, damit deine Partnerin/dein Partner versteht, was du machst und weshalb du in den Wochen des Trainings vielleicht etwas mehr Zeit für dich brauchst als sonst.

Stimuliere dich selber, beobachte wie dein Atem fliesst, wo du Spannung im Körper wahrnimmst. Wie du das in der letzten Woche bei Schritt 1 getan hast. Nun spanne Bauch, Po, Oberschenkel und Beckenboden einzeln, im Wechsel und zusammen an. Beobachte wie deine sexuelle Erregung dadurch ansteigt. Lass die Anspannung wieder los und schaue, was dann mit deiner Erregung passiert. Wenn du etwas langsamer als vielleicht gewohnt stimulierst, ist es einfacher die vier Phasen sexueller Erregung wahrzunehmen. Nach dieser Beobachtung kannst du nun die Spannung mit der Atmung koordinieren. Mit der Einatmung entspannst du deine Muskeln, mit der Ausatmung spannst du sie an. Versuche damit deine Erregung zu steuern, sie mit dem Spiel von Atmung, An- und Entspannung zu steigern und wieder sinken zu lassen. Mindestens drei Mal bevor du dann bis zum Orgasmus stimulierst. Spüre danach in deinen Körper, was du wahrnimmst in deinem Geschlecht und wie du dich insgesamt nach dieser Erfahrung fühlst.