Schritt 1 – Die Erregungskurve entdecken
Während die meisten Männer mit der Zeitdauer ihrer Selbstbefriedigung zufrieden sind, hegen viele den Wunsch längeren Geschlechtsverkehr haben zu können. In einer Schweizer Stichprobe haben 60% angegeben, dass sie gerne länger können möchten bis zum Samenerguss. Internationale Studien zeigen, dass etwa 30% der Männer darunter leiden, wie rasch sie zum Samenerguss kommen. Entscheidend dabei ist nicht etwa die objektive Zeit, wie lange der Geschlechtsverkehr effektiv dauert, sondern viel mehr das individuelle Gefühl der Unzufriedenheit mit der Dauer und das häufige Gefühl die sexuelle Erregung und den Zeitpunkt der Ejakulation nicht kontrollieren zu können. Dies kann sich negativ auf die Zufriedenheit, die Sexualität insgesamt und auch auf die Partnerschaft auswirken.
In diesem Modul geht es um die körperlichen Reaktionen in den verschiedenen Phasen der sexuellen Erregung. Kennt ein Mann diese und verfügt er über angemessene Techniken, um die sexuelle Erregung zu steuern, kann er die Zeitdauer bis zum Orgasmus direkt beeinflussen. In der Selbstbefriedigung scheint dies weniger ein Thema. Jedoch sind Lernschritte in der Selbstbefriedigung zentral, um die Kontrolle zu üben und danach in der Paarsexualität anzuwenden. Schauen wir uns den Verlauf der sexuellen Erregung nun etwas genauer an. Sie lässt sich in vier Phasen unterscheiden:
Sie beginnt in einer ersten Phase mit dem Auslösen des Erregungsreflexes durch einen inneren (z.B. sexueller Gedanke, Fantasie) oder äusseren (z.B. Körper der Partnerin) Reiz. Die mit dem Erregungsreflex ausgelösten physiologischen Prozesse führen zu einer Erektion. Wird den Reizen nicht nachgegangen, beispielsweise durch Ablenkung, klingt die Erektion wieder ab. Soll die Erektion aufrechterhalten und gefestigt werden, ist weitere Stimulation nötig. Dies geschieht meist durch direkte Berührung des Penis, aber auch über den Einsatz des Körpers. Die sexuelle Erregung geht mit einer erhöhten Muskelspannung im Körper einher. Durch unbewusstes oder bewusstes Anspannen der Muskelgruppen im Beckenboden, Po, Oberschenkeln und Bauch wird die Erektion gestärkt, was meist als angenehm erlebt wird. Jedoch wirkt diese zusätzliche Anspannung wie ein Beschleuniger auf die sexuelle Erregung.
In der zweiten Phase ist die Modulation, also die bewusste Beeinflussung der sexuellen Erregung, am einfachsten möglich. Während ihr ist die Phase der Ejakulation wahrnehmbar entfernt, die Erektion stabil, der sexuelle Genuss erleb- und die sexuelle Erregung steuerbar. Von dieser Phase verspricht sich ein enormes erotisches Potenzial. Wird mit hoher Muskelspannung, flacher Atmung und schnellem Rhythmus stimuliert, ist diese Phase schnell durchbrochen.
In der dritten Phase steht die Ejakulation kurz bevor. In dieser Zeit kann bereits die kleinste zusätzliche Stimulation zu einer Erhöhung der sexuellen Erregung und damit zum Orgasmus führen. Für den Mann ist diese Phase über die physiologischen Veränderungen wie das Heranziehen der Hoden und des Hodensacks an den Körper, die stärkere Kontraktion der Muskeln am Damm und die Straffung des Penis wahrnehmbar. In dieser Phase ist der sexuelle Genuss besonders hoch, weshalb viele Männer das Bedürfnis haben sie zu verlängern, wobei sie auch jene Phase ist, in welcher die Erregung kaum zu kontrollieren ist.
In der vierten Phase kommt der sogenannte «Point of no Return». Der Orgasmus und die Ejakulation wird ausgelöst, ein automatisches Reflexgeschehen, welches keiner willentlichen Kontrolle unterliegt. Will ein Mann die mögliche Zeit des Geschlechtsverkehrs verlängern, so muss er folglich lernen seine sexuelle Erregung unter dem Level zu halten, bei welchem der Orgasmusreflex kurz bevorsteht.
Auf die folgenden Anzeichen steigender sexueller Erregung kannst du achten:
- steigende Muskelspannung (Beckenboden, Damm, Po, Bauch, Beine, Brust, Arme, Gesicht),
- Erhöhung und Beschleunigung der Atmung,
- Reduktion in der Bewegungsbreite,
- Steigerung des Tempos der Hüftstösse,
- stärkerer Fokus auf einen bestimmten sexuellen Reiz,
- Intensivierung der sexuellen Empfindungen und Zunahme des sexuellen Vergnügens.
Es gibt vor allem zwei Methoden, um den Verlauf der sexuellen Erregung zu beeinflussen und diese unter der Orgasmus-Zone zu halten:
Eine Möglichkeit besteht darin, die sexuellen Reize, welche die Erregungssteigerung begünstigen, zu kontrollieren. Das heisst, die Reize je nach Höhe der sexuellen Erregung zu reduzieren oder zu erhöhen. Auf diese Weise kann auch die Partnerin/der Partner Einfluss auf die Erregungssteigerung nehmen. Sexuelle Reize ergeben sich aus dem Kontext, von der Partnerin/vom Partner oder vom Mann selbst. Dazu gehört auch die Penetrationsbewegung, bei welcher viele Männer und Frauen die Vorstellung haben, sie müsse kontinuierlich bis steigernd erfolgen, was die Kontrolle über die Erregung erschwert. Mit zunehmender sexueller Erregung kommt es zu einer Fokussierung auf einen bestimmten sexuellen Reiz, der die Erregung wiederum stark und schnell ansteigen lässt. Dieser Stimulus kann je nach Präferenz des Mannes ganz unterschiedlich sein. Viele Männer versuchen sich darauf mit nicht-sexuellen oder gar störenden Gedanken abzulenken, was jedoch selten effektiv ist. Sind die mit der sexuellen Erregung einhergehenden körperlichen Veränderungen dem Mann nicht bewusst, hat er keine Möglichkeit zur Hand Einfluss darauf zu nehmen.
Die zweite Weise bezieht sich auf die Körperarbeit und diese ist für den Ansatz Sexocorporel, nach welchem das Training aufgebaut ist, zentral. Die sexuelle Erregung lässt sich über Körperspannung, Atmung, Bewegung und Rhythmus direkt beeinflussen. Rasche, schneller werdende Bewegungen, Muskelspannungen im ganzen Körper und speziell in Beckenboden, Po und Bauch, welche dazu führen, dass die Hüfte steif vor und zurück bewegt wird und der Atem oberflächlich oder angehalten wird, führen zu einer besonders schnellen Steigerung der sexuellen Erregung. Der Mann muss hier der natürlichen physiologischen Reaktion entgegen wirken und willentlich Entspannung in den Muskeln und Atmung in den Bauchraum herbei führen, wobei für die weitere Bewegung des Körpers ein Wechsel aus An- und Entspannung der involvierten Muskelgruppen gefordert ist. Diese Faktoren, welche die sexuelle Erregung und ihre Steuerung beeinflussen, lernst du in den weiteren Schritten dieses Trainings kennen. Erst solltest du aber herausfinden, was du bei der Steigerung der sexuellen Erregung genau machst.
Übung
Als Übung der ersten Woche geht es darum, dass du das Gelernte in der Praxis überprüfst und dich in der Selbstbefriedigung und bei der Paarsexualität beobachtest. Es ist einfacher, wenn du in der Selbstbefriedigung damit beginnst, weil du da alleine bist und nicht den Anspruch hast auf deine Partnerin/deinen Partner einzugehen. Wichtig ist, dass du auf zusätzliche Stimulation durch Pornos oder Fantasien verzichtest. Nur so kannst du dich auf dich und dein Körpergeschehen konzentrieren. Folgende Fragen können dir bei der Beobachtung helfen.
- Welche sexuellen Reize nutze ich, um sexuelle Erregung auszulösen und diese zu steigern?
- Wie spüre ich, dass ich sexuell erregt werde? Was verändert sich in meinem Körper, wenn der Penis steif wird?
- Wie setze ich meinen Körper in der Erregungssteigerung ein?
- Welche Muskelgruppen spanne ich an? Beckenboden, Po, Bauch, Oberschenkel, den ganzen Körper? Spanne ich anhaltend oder gibt es auch Phasen der An- und Entspannung?
- Wie bewege ich mich? Mit dem ganzen Körper, dem Becken, gar nicht?
- Wie ist meine Atmung? Angehalten, bis in die Brust oder bis in den Bauchraum? Regelmässig oder mit Unterbrüchen?
- Wie setze ich den Rhythmus ein? Wechsle ich ab, mache ich Pausen oder werde ich kontinuierlich schneller?
- Kann ich die sexuelle Erregung auch abflachen lassen und wieder aufbauen?
- Spüre ich, wenn der «Point of no Return» kurz bevorsteht?
- Wann empfinde ich am meisten Genuss, bei der Steigerung der sexuellen Erregung, beim Orgasmus oder danach?
- Welche Unterschiede gibt es in der Selbstbefriedigung im Vergleich zum Geschlechtsverkehr?
Es ist kaum möglich, alle Aspekte auf einmal zu beobachten. Nimm dir also ruhig mehrmals dafür Zeit, etwa drei Mal. Wenn du Lust hast, kannst du auch schon anfangen dabei mit den Körperausdrucksmöglichkeiten (Spannung, Atmung, Bewegung, Rhythmus) zu spielen und auszuprobieren, wie sich dies auf deine sexuelle Erregung und dein Erleben auswirkt. Du kannst dir fortlaufend im Training Notizen zu deinen Beobachtungen machen. So siehst du im Verlauf auch, was sich bei dir verändert. In den nächsten Schritten wirst du die einzelnen Elemente zur Steuerung der sexuellen Erregung nun genauer kennenlernen.